Es hört sich zwar toll an nicht mehr arbeiten zu müssen, einfach frei zu haben.
Aber mit noch nicht ganz erreichten 48 Lebensjahren ist es verdammt früh.
Seit meiner Diagnose im Mai 2010 habe ich ganz normal weiter gearbeitet.
Was bedeutete : Unregelmäßige Arbeitszeiten bis zu 60 Stunden pro Woche, tageweise Anwesenheit von zu Hause (2-5 Tage im Monat) viel Zeit im Auto (ca. 45.000 km p.a.)
Termine, Tagungen, Mitarbeitergespräche, Verhandlungen u.s.w., also einfach Stress
Ich war Führungskraft mit Ergebnis- und Personalverantwortung (bis zu 45 Mitarbeitern)
Der Stress, die viele Arbeit, die Zeit die ich mit der Arbeit verbrachte, all das hat mir nichts
ausgemacht, da ich sehr gerne gearbeitet habe, einen tollen, abwechslungsreichen Job hatte, viel Anerkennung durch meine Chefs, den Mitarbeitern, Vorstand und Kollege erfuhr,
gut verdient habe. Es wäre also alles i. O. , wenn dann nicht Mr Parkinson etwas dagegen gehabt hätte.
Da ich so gut wie keinen Tremor habe, konnte ich meine Erkrankung ziemlich gut verbergen, nur mein Chef war informiert. Die Körper-Steifigkeit und fehlende Beweglichkeit habe ich ebenfalls gut kaschieren können. Aber leider wurde auf Grund der Muskelschmerzen und Krämpfe wurde mein Nachtschlaf immer schlechter. Die durchschnittliche Stundenzahl, die ich ohne Unterbrechung schlafen konnte, sank von 5 auf 2 Stunden. Dadurch litt natürlich meine Leistungsfähigkeit enorm. Ich mogelte mich durch, so gut ich konnte und hangelte mich von Urlaub zu Urlaub. Als kraftspendendes Ereignis erster Güte war unsere Hochzeit im Mai 2012.
Meine Frau hat trotz der Diagnose ja zu mir gesagt. Das sie zu mir stand und immer noch steht, dafür bin ich unendlich dankbar. Dies hat mir sehr viel Kraft und Stärke gegeben.
Gegen Ende des Jahres 2012 sollte ich eine ReHa beginnen. Aus beruflichen Gründen habe ich das in den Februar 2013 geschoben. Ich bin davon ausgegangen, das ich dort wieder fit gemacht werde, ich mein Schlafproblem in den Griff bekomme, auf die Medikamente eingestellt werde und dann weitermachen kann wie bisher. Aber daraus wurde nichts, ich wurde nach 6 Wochen als berufsunfähig entlassen.
Das war ein echter Schock. Zum Glück für mich war meine Frau für mich da. Ich war anfangs wie paralysiert, wußte gar nicht wohin. Auch mein Arbeitgeber hat sich klasse verhalten, Zitat des Vorstands in einem Telefonat :“Was können wir für Sie tun ?“ All dies hat mir sehr geholfen, auch die warmherzigen Abschiede. Meine Mitarbeiter haben eine
„Extraschicht“ (Name eines Kulturfestivals im Ruhrgebiet) für mich organisiert und mir eine Mega-Party geschenkt. Ich habe heute noch die Worte eines Mitarbeiters im Ohr der sagte: „Es war mir eine Ehre mit Ihnen gearbeitet haben zu dürfen“ (in Anlehnung an den Unglücksflug der Apollo 13).
Nachdem dies vorbei war, die Rentenanträge gestellt waren und alles glatt durchlief, kam das Große Loch. Was tun? Ich hatte auf einmal soviel (zu viel?) Zeit. Zum Glück habe ich keine wirtschaftlichen Sorgen, da ich privat vorgesorgt habe und auch über meinen Arbeitgeber einen gute betriebliche Absicherung habe.
Ich habe mich nutzlos, wertlos gefühlt. Da ich alleine nicht mehr aus diesem Loch herausgefunden hätte, habe ich mir professionelle Hilfe gesucht. Es wurde bei mir eine Anpassungsstörung diagnostiziert. Das Wort ist passend, da ich mich nicht an mein neues Leben, an mein erzwungenes Nichtstun gewöhnen, anpassen konnte. Ich habe dann mit Hilfe meiner Frau und meines Therapeuten gelernt, mit der Situation umzugehen und meine Zeit sinnvoll zu nutzen. Ich habe ein Ehrenamt übernommen, als Ausbildungspate junge Schülern geholfen den Übergang von Schule in den Beruf zu finden.
Außerdem habe ich gelernt (mühsam) die Dinge die ich tue, langsamer zu machen und mir mehr Zeit zu nehmen, Ruhepausen einzulegen. Ein Beispiel: Wir sind umgezogenen nachdem am Abend die Möbel standen, habe ich begonnen meine Bücher aus den Kartons auszupacken und einzuräumen.
Meine Frau hat mich (zu Recht) für bescheuert erklärt und mir klar gesagt, das dies auch noch in den nächsten Tagen zu erledigen wäre. Sie ging dann schlafen und ich packte aus, bis 4 Uhr morgens ! (Es waren 103 Kartons mit ca. 2.300 Büchern) Irgendwie hab ich es nicht geschafft aufzuhören, etwas unerledigt liegen zu lassen, um ein anderes Mal weiter zu machen. Mittlerweile schaffe ich dies, auch wenn es mir immer noch schwer fällt.
Auch mit dem Bild das ich nach außen hin abgebe, komme ich mittlerweile zurecht., das ich mit einer Gehilfe unterwegs bin, z.B..
Die erstaunten Blicke und Aussagen wie: „Man sieht ja gar nichts“ Sie sind doch zu jung dafür etc.“ stören mich nur noch selten. Wenn es mir wichtig erscheint erkläre ich es meinem Gegenüber. Wenn nicht ist es mir auch sch..egal.
Es wäre toll gewesen, wenn es damals schon eine SHG wie Parkinson Youngster gegeben hätte. So habe ich von der Diagnose 2010 bis in das Jahr 2016 hinein gebraucht mich zu informieren, Hilfe zu suchen, u.s.w. Für mich ist Parkinson Youngster eine ideale Plattform für alle, die durch die Krankheit gezwungen sind, Veränderungen in Ihrem Leben zu meistern, Ängste abzubauen und Mut zu finden.
Mittlerweile habe ich mich gut eingerichtet, ich denke und rede kaum noch über mein altes Arbeitsleben, Anerkennung erhalte ich ohne Leistung zu erbringen und Wertschätzung wird mir als Person entgegengebracht. Es ist ein harter Weg für mich gewesen, aber ich habe es bisher geschafft, weil ich Hilfe gesucht und angenommen habe.
Es freut mich, wenn ich dem Leser vielleicht helfen, ihm Mut machen und eine Perspektive aufzeigen konnte.