MSA

Die MSA ist eine fortschreitend verlaufende Erkrankung des Erwachsenenalters, die durch Nervenzelltod in verschiedenen Teilen des Gehirns, in den Basalganglien, im Kleinhirn (Zerebellum), im Hirnstamm und bestimmtem Zellsäulen des Rückenmarks gekennzeichnet ist. Charakteristisches neuropathologisches Merkmal der MSA ist das Auftreten alpha-Synuklein-haltiger Ablagerungen vor allem in einer besonderen Gruppe von Stützzellen des Gehirns, die die Hüllsubstanz von Nervenzellen, das Myelin, bilden (oligodendrogliale zytoplasmatische Einschlusskörper; GCI ). Die Rolle von alpha-Synuklein im Krankheitsprozess der MSA konnte bislang nicht eindeutig geklärt werden.

Der mittlere Erkrankungsbeginn der MSA liegt in der 6. Lebensdekade; Männer und Frauen erkranken gleich häufig (w/m: 1,0 zu 1,3). Klinisch ist die MSA durch das gemeinsame Auftreten von schweren Störungen des zentralen Anteils des vegetativen Nervensystems (autonomes Versagen) und Bewegungsstörungen gekennzeichnet. Bei der MSA ist der zentrale Anteil des vegetativen Nervensystems im Rückenmark betroffen, während Störungen der vegetativen Nervenfaserbündel im übrigen Körper auch bei der Parkinsonerkrankung vorhanden sein können. Dies ist z.B. bei der Erregung des Herzens durch den Sympatikus von Bedeutung. Die Degeneration des vegetativen Nervensystem führt zu Blasenstörung mit Inkontinenz aufgrund gestörter Blasenschliesmuskelfunktion und Restharnbildung. Die vegetativen Störungen, insbesondere Erektionsstörungen, aber auch eine Zunahme der Miktionsfrequenz, Dranginkontinenz und Restharnbildung können Jahre vor den Bewegungsstörungen auftreten. Nach Auftreten der Bewegungsstörungen ist die Progression der MSA meistens rasch: die mediane Überlebenszeit nach Diagnosestellung beträgt nur 9 Jahre. In dieser Zeit entwickeln fast alle Betroffenen ein Mischbild mit vegetativen Störungen, Parkinson- und Kleinhirnsymptomen (zerebelläre Ataxie) und Zeichen einer Pyramidenbahnschädigung in unterschiedlicher Kombination und Ausprägung. Kognitive Beeinträchtigungen (Demenz) sind selten. Die häufigste Todesursache sind Lungenentzündungen infolge der ausgeprägten Hypokinese und der Immobilisierung.

Für die Diagnose am aussagekräftigsten ist die schwere orthostatische Hypotonie mit Abfall des Blutdrucks beim Aufstehen aus dem Liegen um mindestens 30 mmHg systolisch bzw. mindestens 15 mmHg diastolisch. Die Degeneration der zentralen Anteile des sympatischen Nervensystems, der intermediolateralen Zellsäulen des Rückenmarks, bei erhaltenen postganglionären Neuronen führt bei vielen MSA-Patienten zu einer paradoxen Kombination aus gestörter reflektorischer Aktivierbarkeit und gleichzeitig erhöhter Ruheaktivität des sympathischen Nervensystems. Daher ist die orthostatische Hypotonie häufig mit einer arteriellen Hypertonie im Liegen verbunden und die Hände und Füße sind oft kühl und bläulich verfärbt ( cold hand sign ). Weitere autonome Funktionsstörungen sind vermindertes Schwitzen, das sich in einer Hitzeintoleranz äußern kann, und eine verminderte Herzratenvariabilität. Eine charakteristische und früh im Krankheitsverlauf auftretende Störung ist die Traumschlaf-Verhaltensstörung die sich in nächtlichen, zusammen mit Träumen auftretenden Bewegungen, u.U. in Form tätlicher Angriffe auf den Bettpartner äußern kann. Dieses Ausleben der Trauminhalte entsteht weil die die physiologische Muskelentspannung im Traumschlaf gestört ist. Darüber muss beim behandelnden Arzt/Ärztin gesprochen werden, da die Behandlung mit dem gut verträglichen Medikamenten Clonazepam (Rivotrol 0.5 – 1 mg z.N.) fast immer rasche und vollständige Erleichterung bringt.

Auch viele Patienten mit Parkinsonerkrankung leiden unter Störungen des Gleichgewichts, der Blutdruckregulation, der Blasen- und Mastdarmkontrolle und sexuellen Funktionsstörungen. Im Gegensatz zur MSA treten diese Störungen aber erst später im Verlauf der Krankheit auf und stehen eher selten im Vordergrund.

Entscheidend für die Diagnose der MSA ist eine sorgfältige Anamnese und klinische Untersuchung, während die apparative Zusatzdiagnostik in erster Linie dem Ausschluß anderer Erkrankungen dient. Bei den bildgebenden Studien etabliert sich das MIBG-SPECT des Herzens ebenso wie das FDG PET, als zuverlässige Methode zur Unterscheidung von MSA und Parkinson Krankheit. Im fortgeschrittenen Stadium kann auch die MRT Auffälligkeiten zeigen. Nach wie vor ist keine kurative oder präventive Therapie der MSA bekannt. Querschnitt- und Verlaufsuntersuchungen der EMSA Studygroup und des Kompetenznetz Parkinson haben einen unerwartet hohen Anteil von MSA Patienten mit Ansprechen auf L-DOPA gezeigt, so dass MSA-P Patienten ein ausreichend hoch dosierter Therapieversuch (mindestens 1000 mg/die) nicht vorenthalten werden darf. Eine kleinere Placebo-kontrollierte Studie mit Amantadin konnte keinen positiven Effekt auf die Parkinson-Symptome zeigen

Geschrieben von: Prof. Dr. med. U. Wüllner Universitätsklinikum Bonn – Neurologie