Man darf sich nicht verkriechen

Quelle: Parkour Magazin https://www.abbvie-care.de/parkour/ Autor: Petra Sperling | 05/2019

Nadine Mattes ist 37 Jahre und lebt mit fortgeschrittenem Parkinson.
Um mit der Erkrankung zurechtzukommen, hat die Mutter einer Tochter vieles in ihrem Leben verändert – und eine Selbsthilfegruppe gegründet.

Mit 14 Jahren von Parkinson betroffen? Daran denkt niemand, als bei Nadine Mattes ein ungewöhnliches Muskelzittern auftritt. Erst gut 20 Jahre später stellen die Ärzte die Diagnose „Parkinson“. Nach einem langen Leidensweg hilft der 37-Jährigen heute eine ausgeklügelte Therapie, die vielfältigen Beschwerden weitgehend zu kontrollieren. Doch die fortgeschrittene Erkrankung prägt ihr Leben. Mehrere Medikamenteneinnahmen täglich erfordern einen strengen Zeitplan, im Alltag ist sie auf Unterstützung angewiesen, ihre Arbeit musste die gelernte Köchin aufgeben. „Der Schritt in die Rente war enorm schwierig“, blickt sie zurück. „In meinem Alter erwerbsunfähig zu sein, das muss man erst einmal verkraften.“

Auf die Frage, wie sie es geschafft hat, nicht den Mut zu verlieren und weiterhin möglichst aktiv zu leben, hat Nadine eine klare Antwort: „Man muss sein Leben aufräumen und sich neu sortieren. Was man gerne macht und was einem guttut, sollte man verstärken. Was einem nicht guttut, sollte man ändern oder beenden. Früher habe ich viel weggeschoben, weil ich ja krank war. Doch gerade dann muss man sich kümmern.“ Sehr wichtig findet sie auch, sich nicht zu verkriechen. „Es macht Parkinson nur stärker, wenn man mit dunklen Gedanken alleine bleibt. Besser macht man sogar gezielt auf sich aufmerksam. Dann bekommt man letztlich auch Hilfe – und ohne geht es nicht.“ Ebenso müsse man bewusst auf sich achten. „Wenn ich merke, dass ich eine Auszeit brauche, verbringt meine Tochter das Wochenende schon mal bei Freunden“, gibt die alleinerziehende Mutter ein Beispiel.
„Das ist kein Wegschieben, sondern wir reden offen darüber, dass ich Kraft für den Alltag und unsere gemeinsamen Unternehmungen sammeln muss.“

Nicht alleine bleiben

Als große Stütze empfindet Nadine die Selbsthilfe. „Parkinson ist komplex und schreitet fort. Warum sollte man seine damit verbundenen Fragen und Sorgen nicht mit anderen teilen und gemeinsam stemmen?“ Kurz nach ihrer Diagnose beschließt sie, selbst aktiv zu werden; sechs Monate später gründet die Westfälin die „Parkinson Youngster Dorsten“, eine Selbsthilfegruppe für Jungerkrankte. Nicht zuletzt durch ihr Engagement als Erste Vorsitzende entsteht rasch ein vielschichtiges Netzwerk, Schirmherr wird der ebenfalls mit Parkinson lebende Comedian Markus Maria Profitlich. „Die Gespräche miteinander sind sehr hilfreich“, beschreibt Nadine den Vorteil der Gemeinschaft in der Selbsthilfe. „Dabei dürfen auch mal Tränen fließen, das gehört zur Krankheitsbewältigung dazu. Auch ich habe Momente, in denen ich weine. Aber irgendwann muss man wieder aufstehen.“ Ein wichtiges Anliegen ist es den Parkinson Youngster Dorsten, fachliche Angebote in die Gruppe zu holen – von medizinischen Vorträgen über Sport und Gymnastik bis hin zu praktischen Alltagstipps. Bei speziellen Fragen vermitteln sie an Fachleute.

Am liebsten wäre es Nadine, wenn Betroffene nach ihrer Diagnose sofort in die Selbsthilfe kämen. „Man wird in dieser schwierigen Situation einfach aufgefangen.“ Mit ihrem Engagement möchte sie dazu beitragen, auf Parkinson als mögliche Erkrankung auch bei Jüngeren aufmerksam zu machen. „Es ärgert mich sehr, dass ich nicht früher Hilfe bekommen habe“, gibt sie zu. „Deshalb möchte ich in der Bevölkerung Verständnis dafür wecken, dass es uns gibt, was Parkinson bedeutet und was uns hilft, damit zu leben.“