Heilmittelverordnung

Richtlinie

Was genau heißt dies?

Die Heilmittel-Richtlinie regelt die Versorgung der Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung mit Heilmitteln im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung. (Die Verordnung kurortspezifischer bzw. ortsspezifischer Heilmittel unterliegt ausdrücklich nicht den Heilmittel-Richtlinien).

Vor der Verordnung von Heilmitteln muss sich der Arzt unter Einbezug entsprechender Diagnostik vom Zustand des Patienten überzeugen und diesen dokumentieren. Dies gilt auch für Folgeverordnungen.

Der Grundsatz der Wirtschaftlichkeit ist zu beachten. Deshalb gilt es, vor der Verordnung abzuwägen, ob z.B. durch Hilfsmittel, Arzneimittel oder eigenverantwortliche Maßnahmen des Patienten die Therapieziele qualitativ gleichwertig und kostengünstiger erreicht werden können. Ist dies nicht der Fall, sind Heilmittel verordnungsfähig.

Die Verordnung ist auf einem speziellen Verordnungsvordruck vorzunehmen.

Der Heilmittelkatalog

Wesentlicher Bestandteil der Heilmittel-Richtlinie ist der Heilmittelkatalog. Er beschreibt, welche Heilmittel in welchen Mengen bei welchen Diagnosen (Diagnosengruppen) im Regelfall zu einer medizinisch angemessenen und wirtschaftlichen Versorgung führen.

Der Regelfall betrachtet dabei den bezüglich Erkrankung und Krankheitsverlauf typischen Patienten. Für den Regelfall gilt der Heilmittelkatalog als Leitfaden zur Verordnung. Die durch den Katalog vorgegebenen Heilmittel und verordnungsfähigen Mengen basieren auf Erfahrungswerten aus der Praxis.

Schritte zur Verordnung

Der Heilmittelkatalog ist in Diagnosengruppen untergliedert. Im vorliegenden Buch wird diese Zuordnung durch ein zweistufiges Register erleichtert. Der Verordner schlägt in einem ersten Schritt nach, welcher Diagnosengruppe des Kataloges die von ihm im Einzelfall gestellte Diagnose zuzuordnen ist.

Im zweiten Schritt prüft der Verordner, welche Leitsypmtomatik (Schädigung bzw. Funktionsstörung) im Einzelfall vorliegt. Der Heilmittelkatalog gibt Zuordnungsmöglichkeiten vor.

Zu jeder Leitsymptomatik gibt der Katalog die anzustrebenden Therapieziele an.

Die Heilmittel

Der Heilmittelkatalog gibt Auskunft darüber, mit welchen Heilmitteln in welcher Verordnungsmenge bzw. Gesamtverordnungsmenge die Therapieziele im Regelfall zu erreichen sind.

Für den Regelfall ist immer die Verordnung von einem sogenannten vorrangigen Heilmittel vorgesehen, z.B. „Allgemeine Krankengymnastik“. Soweit medizinisch erforderlich, kann der Arzt ein zusätzliches ergänzendes Heilmittel verordnen, z.B. „Wärmetherapie“, „Fango“, „Elektrotherapie“ oder „Kältetherapie“.

Kann das vorrangige Heilmittel aus Gründen, die beim Patienten liegen, nicht angewendet werden, gibt der Katalog alternative optionale Heilmittel vor, z.B. „Chirogymnastik“ (statt „Allgemeine Krankengymnastik“).

Welche Heilmittel (vorrangig, optional, ergänzend) im Einzelnen indikationsbezogen verordnungsfähig sind, ist dem Katalog zu entnehmen.

Abweichend von diesem System sind nur die ergänzenden Heilmittel Elektrotherapie, Elektrostimulation und Ultraschall auch isoliert (ohne vorrangiges Heilmittel) verordnungsfähig, sofern diese im Katalog indikationsbezogen auch als ergänzendes Heilmittel angegeben sind.

Liegen komplexe Schädigungsbilder vor, für deren Behandlung die Kombination von drei oder mehr Heilmitteln in zeitlich und örtlichem Zusammenhang synergistisch sinnvoll ist, kann eine standardisierte Heilmittelkombination D1verordnet werden. Der Katalog weist aus, bei welchen Diagnosengruppen dies im Regelfall möglich ist. Der Arzt kann die hierbei anzuwendenden Heilmittel in der Verordnung spezifizieren oder die Entscheidung hierüber dem Therapeuten überlassen. Spezifiziert der Arzt die anzuwendenden Heilmittel nicht, muss der Therapeut alle aufgeführten Heilmittel abgeben können.

Die Verordnungsmenge

Es wird davon ausgegangen, dass im Regelfall das Therapieziel spätestens mit der im Katalog angegebenen Gesamtverordnungsmenge erreicht werden kann, z.B. 30 Einheiten bei Verletzungen/Operationen und Erkrankungen der Extremitäten und des Beckens (EX3).

Dabei sind als Erstverordnung zunächst (meist) nur die im Heilmittelkatalog festgelegten Teilmengen verordnungsfähig, z.B. bis zu 6 oder bis zu 10 Einheiten. Danach muss sich der Arzt erneut vom Zustand des Patienten überzeugen. Falls erforderlich, kann eine Folgeverordnung vorgenommen werden, wobei auch deren Teilmenge je Diagnosengruppe im Heilmittelkatalog festgelegt ist. Je nach Gesamtverordnungsmenge sind weitere Folgeverordnungen möglich.

Nach einer Erstverordnung gilt jede Verordnung zur Behandlung derselben Erkrankung (desselben Regelfalls) als Folgeverordnung, auch wenn sich hierbei die Leitsymptomatik ändert und deshalb bei Folgeverordnungen andere Heilmittel zur Anwendung kommen.

Die Verordnungsmenge soll sich nach den medizinischen Erfordernissen des Einzelfalls richten. In der Praxis wird daher nicht jede Schädigung/Funktionsstörung der Gesamtverordnungsmenge im Katalog bedürfen.

Verordnungen außerhalb des Regelfalls

Die Heilmittel-Richtlinie trägt auch der Tatsache Rechnung, dass Therapieziele im individuellen Einzelfall manchmal nur durch zusätzliche Verordnungenerreicht werden können. Für solche Fälle gilt: Lässt sich das Therapieziel mit der im Katalog vorgegebenen Gesamtverordnungsmenge an Heilmitteln nicht erreichen, sind weitere Verordnungen außerhalb des Regelfalls (insbesondere längerfristige Verordnungen) möglich.

Eine Verordnung außerhalb des Regelfalls bedarf einer in der Richtlinie nicht weiter spezifizierten weiterführenden Diagnostik sowie einer besonderen Begründung mit prognostischer Einschätzung. Die Verordnungsmenge richtet sich dann nach den medizinischen Erfordernissen des Einzelfalls. Die Verordnungsmenge ist jedoch so zu bemessen, dass mindestens eine ärztliche Untersuchung innerhalb von 12 Wochen gewährleistet ist.

Für Versicherte mit „Langfristigem Heilmittelbedarf“ gemäß Diagnoseliste (Anlage 2 HeilM-RL) können die dauerhaft notwendigen Heilmittel als „Verordnungen außerhalb des Regelfalls“ verordnet werden, ohne dass zuvor der Regelfall durchlaufen werden muss. Ein Antrags- und Genehmigungsverfahren entfällt. Für Versicherte mit „Besonderem Verordnungsbedarf“ kann ebenfalls längerfristig verordnet werden, allerdings muss zuvor der Regelfall durchlaufen werden. Ein Antrags- und Genehmigungsverfahren eines langfristigen Heilmittelbedarfs entfällt, wenn die Nebenbedingungen erfüllt sind (gem. Patienteninformation G-BA, Stand 04/2017). Bei Diagnosen, die nicht auf der Diagnoseliste „Langfristiger Heilmittelbedarf“ (Anlage 2 HeilM-RL) bzw. der Diagnoseliste „Besondere Verordnungsbedarfe“ (KBV) gelistet sind, aber in der Schwere und Langfristigkeit der funktionellen/strukturellen Schädigung mit diesen vergleichbar sind, muss der Versicherte oder sein Stellvertreter einen Antrag zur Genehmigung stellen.

Ab Vorlage der Verordnung durch den Versicherten bei der Krankenkasse kann die Therapie fortgesetzt werden. Nach Beginn der Behandlung über-
nimmt die Krankenkasse die Kosten des Heilmittels unabhängig vom Ergebnis der Entscheidung über den Genehmigungsantrag, längstens jedoch bis zum Zugang einer Entscheidung über die Ablehnung der Genehmigung.

Unabhängig davon können Krankenkassen auf die Genehmigung im Einzelfall verzichten und hierdurch pauschal genehmigen.

Langfristiger Heilmittelbedarf gemäß Anlage 2 (Diagnoselise)

Die Heilmittel-Richtlinie wurde um die Anpassung der Regelung des lang-fristigen Heilmittelbedarf § 8a ergänzt. Die Änderung trat zum 01.01.2017 in Kraft.

Bei den in der Anlage 2 gelisteten Diagnosen (ab S. 81) ist in Verbindung
mit der jeweils aufgeführten Diagnosegruppe des Heilmittelkatalogs vom Vorliegen eines langfristigen Heilmittelbedarfs im Sinne von § 32 Abs. 1a SGB V auszugehen. Ein Antrags- und Genehmigungsverfahren entfällt.

a) Langfristiger Heilmittelbedarf (§ 32 Absatz 1a SGB V) liegt vor, wenn sich aus der ärztlichen Begründung die Schwere und Langfristigkeit der funktionellen/strukturellen Schädigungen, der Beeinträchtigungen der Aktivitäten und der nachvollziehbare Therapiebedarf ergeben.

b) Bei den in der Anlage 2 gelisteten Diagnosen (ab S. 81) in Verbindung mit der jeweils aufgeführten Diagnosegruppe ist von einem langfristigen Heilmittel-
bedarf auszugehen. Ein Antrags- und Genehmigungsverfahren findet nicht statt.

c) Für Versicherte mit langfristigem Heilmittelbedarf können die dauerhaft notwendigen Heilmittel als Verordnungen außerhalb des Regelfalls verordnet werden, ohne dass der Regelfall durchlaufen werden muss.

Langfristiger Heilmittelbedarf bei vergleichbaren, in Anlage 2 nicht gelisteten Diagnosen

Bei Diagnosen, die nicht auf der Diagnoseliste des „Langfristigen Heilmittelbedarfs“ (Anlage 2) gelistet sind, aber in der Schwere und Langfristigkeit der funktionellen/strukturellen Schädigung mit diesen vergleichbar sind, haben Patienten weiterhin die Möglichkeit individuelle Anträge bei der Krankenkasse zu stellen. Hierzu wurden neue Regelungen und Fristen festgelegt:

a) Der Versicherte oder ein Stellvertreter muss einen formlosen Antrag inklusive einer Kopie der Heilmittelverordnung bei der Krankenkasse einreichen.

b) Die Verordnung muss medizinisch begründet sein und muss auf dem Verordnungsformular angegeben sein.

c) Die Verordnung ist sofort gültig.

d) Wird von der Krankenkasse nicht innerhalb von 4 Wochen über den Antrag entschieden, gilt dieser automatsich als genehmigt.

e) Von einer Langfristigkeit ist auszugehen, wenn ein Therapiebedarf von mindestens einem Jahr medizinisch erforderlich ist. Bei einem prognostisch kurzzeitigem Behandlungsbedarf kann eine vergleichbare dauerhafte funktionelle/strukturelle Schädigung ausgeschlossen werden.

f) Auch die Summe mehrerer einzelner funktioneller/struktureller
Schädigungen und Beeinträchtigungen können insgesamt betrachtet einen entsprechenden Therapiebedarf begründen.

g) Die Genehmigung der Krankenkasse kann unbefristet erteilt werden, mehrere Jahre umfassen, darf aber ein Jahr nicht unterschreiten.

h) Eine Genehmigung darf nicht allein versagt werden, weil sich das Heilmittel oder die Behandlungsfrequenz im Genehmigungszeitraum ändert.

Für Versicherte mit langfristigem Heilmittelbedarf gemäß Diagnoseliste (Anlage 2) oder bei Diagnosen, die in der Schwere und Langfristigkeit der funktionellen/strukturellen Schädigung mit diesen vergleichbar sind, können die dauerhaft notwendigen Heilmittel als „Verodnungen außerhalb des  Regelfalls“ verordnet werden, ohne dass zuvor der Regelfall durchlaufen werden muss. Erforderliche Genehmigungen nach § 8 Abs. 4 gelten als erteilt.

Rezidiv oder neue Erkrankungsphase

Tritt ein Rezidiv oder eine neue Erkrankungsphase nach einem behandlungsfreien Intervall von mindestens 12 Wochen auf, ist die Verordnung als neuer Regelfall zu betrachten. Für diesen neuen Regelfall können wieder Heilmittel bis zur Gesamtverordnungsmenge verordnet werden.

Tritt ein Rezidiv oder eine neue Erkrankungsphase vor Ablauf eines behandlungsfreien Intervalls von 12 Wochen auf, ist eine Verordnung „außerhalb des Regelfalls“ vorzunehmen.

Hinweis: Wurde die Gesamtverordnungsmenge eines Regelfalls noch nicht ausgeschöpft und tritt nach einem behandlungsfreien Intervall von weniger als 12 Wochen ein Behandlungsbedarf auf, ist auch noch eine Folgeverordnung dieses Regelfalls möglich.

Verordnungen im Rahmen des Entlassmanagements

Die Heilmittel-Richtlinie wurde um § 16a Verordnungen im Rahmen des Entlassmanagements ergänzt. Die Änderung der Heilmittel-Richtlinie im Rahmen des Entlassmanagements tritt am 01.07.2017 in Kraft.

Neu ist, dass die Krankenhausärztin oder der Krankenhausarzt im Rahmen des Entlassmanagements eine Heilmittelverordnung zur Erstversorgung ausstellen kann. Diese Verordnungen, die im Grundsatz nach Maßgabe des Heilmittelkatalogs zu erstellen sind, haben folgende Besonderheiten:

a) Die Verordnung ist nach Maßgabe des Heilmittelkatalogs vorzunehmen, jedoch nur für einen Zeitraum von bis zu sieben Kalendertagen nach der Entlassung.

b) Gemäß dem Rahmenvertrag nach § 39 Abs. 1a S. 9 SGB V vom 17.10.2016 sind Verordnungen im Rahmen des Entlassmanagements mit der Sonder-kennzeichnung „Entlassmanagement“ zu kennzeichnen (s.u.). Zudem muss das Entlassdatum angegeben sein. Dieses ist auf der Verordnung im Feld „Datum“ eingetragen. Des Weiteren sind Verordnungen im Rahmen des Entlassmanagements zusätzlich durch das einstellige Zeichen „4“ im Feld „Status“ gekennzeichnet.

c) Die Behandlung muss spätestens sieben Kalendertage nach der Entlassung aufgenommen werden.

d) Die Behandlung muss spätestens zwölf Tage nach der Entlassung abgeschlossen sein. Die nicht innerhalb von zwölf Kalendertagen in Anspruch genommenen Behandlungen entfallen.

e) Die Verordnungsmenge ist abhängig von der Behandlungsfrequenz so zu bemessen, dass der nach §16 Abs.1, Satz 1 erforderliche Versorgungszeitraum nicht überschritten wird. Der Versorgungszeitraum erster bis letzter Termin ist begrenzt auf 7 Kalendertage.

f) Andere Verordnungen und Regelfälle bleiben von der Verordnung im Rahmen des Entlassmanagements unberücksichtigt.

Weitere Hinweise

Treten im zeitlichen Zusammenhang mehrere voneinander unabhängige Erkrankungen auf, kann dies weitere (parallele) Regelfälle auslösen, z.B. in den Bereichen HWS und Schulter. Dies gilt auch, wenn es sich um unabhängige Erkrankungen handelt, die der gleichen Diagnosengruppe zuzuordnen sind, z.B. HWS- und LWS-Syndrom.

Für diese parallelen Regelfälle sind jeweils separate Verordnungsvordrucke auszustellen.