Der Grundsatz in der Behandlung von Parkinson-Patienten, vor allem im akut-stationären Setting, der für mich persönlich in den letzten Monaten immer mehr an Bedeutung gewonnen hat, ist das Zusammenspiel eines interdisziplinären Teams. Nur durch das Vorhandensein einer intensiven Kommunikation und eines raschen Austausches zwischen Therapeuten sowie dem pflegerischen und ärztlichen Team kann es gelingen, den Parkinson-Patienten möglichst optimal und umfassend bezüglich seiner individuellen Parkinson-Symptom-Konstellation zu behandeln.
Um die Therapie eines Parkinson-Patienten erfolgreich zu gestalten, sind eine sorgfältige und individuell abgestimmte medikamentöse Einstellung des Patienten sowie die genaue Beobachtung der daraus entstehenden motorischen Veränderungen vonnöten. Erst, wenn der Patient optimalerweise keine bzw. nur noch geringe Wirkungsfluktuationen hat, können die komplementären Therapiebereiche in einem interdisziplinären Team die vorhandenen Restfunktionen individuell erfolgreich behandeln, um die Lebensqualität des Betroffenen zu verbessern. Diese enge, patientenorientierte Zusammenarbeit verfolge ich im alltäglichen, akut-stationären Tagesablauf gemeinsam mit drei weiteren Ergotherapeutinnen, sechs Physiotherapeuten/ innen, einer Gymnastiklehrerin, einer Logopädin, einer Psychologin sowie dem gesamten pflegerischen und ärztlichen Team in der Neurologischen Klinik am Sorpesee.
Die während der Therapieeinheiten eingesetzten, ergotherapeutischen Behandlungsverfahren und -konzepte orientieren sich weniger an der Form des jeweiligen Parkinson-Syndroms, sondern vielmehr an der individuellen Ausprägung und Konstellation der einzelnen Symptome und deren individuell erlebter Auswirkung auf die Verrichtung der Tätigkeiten des täglichen Lebens. Daher ist eine genaue Befunderhebung bezogen auf die Ressourcen und Defizite des Patienten sowie die ihn umgebende Umwelt von großer Wichtigkeit. Daran anschließend stimmt der Patient, gemessen an der Auswirkung auf die Verrichtung der ihm wichtigen Tätigkeiten aus den Bereichen Selbstversorgung, Produktivität und Freizeit, die zu erreichenden Therapieziele mit der Ergotherapeutin ab. Wichtig bei der Zielformulierung sind das Setzen eines Schwerpunktes und die realistische Einschätzung der Erreichbarkeit des Ziels und die mögliche Umsetzung im häuslichen Alltag. Dieses wird umso wichtiger, je weiter die Erkrankung fortschreitet! Bereits vorhandene, vom Patienten eingesetzte Kompensationsmechanismen, Hilfsmittel oder Eigenübungsprogramme sollten in die Therapie mit einbezogen und evtl. angepasst werden.
In der Behandlung von Parkinson-Patienten nimmt, neben dem motorisch-funktionellen und dem sensomotorisch-perzeptiven Behandlungsverfahren, auch das neuropsychologisch orientierte Behandlungsverfahren aus dem Repertoire der Ergotherapie einen hohen Stellenwert ein.
Mit Hilfe der genannten Behandlungsverfahren versuchen wir die motorischen, sensorischen, kognitiven, emotionalen, sozialen und psychischen Fähigkeiten der Parkinson-Patienten in Absprache in unserem interdisziplinären Team wiederherstellen, zu verbessern, zu erhalten, neu zu entwickeln bzw. Kompensationen für eine bestmögliche Handlungsfähigkeit im Alltag in den Bereichen Aktivität und Partizipation, mit Hilfe von Behandlungstechniken wie beispielsweise Bobath, Affolter, PNF oder LSVT BIG, zu erreichen.
Vorrangiges Ziel ist eine Steigerung der individuellen Lebensqualität sowie die Verbesserung bzw. der Erhalt einer größtmöglichen Selbstständigkeit im Alltag.
Bewährt hat sich außerdem das repetitive Üben jeglicher Therapieinhalte in adaptierter und ständig neuer Form unter dem Einsatz individueller Cues. Unter Cues versteht man individuell eingesetzte visuelle (z.B. Markierungen auf einem Blatt Papier, Einsatz von Laserpointer), auditive (z.B. Kommandos) oder propriozeptive Reize (z.B. klatschen) zur Initiierung bzw. Aufrechterhaltung einer willkürlich gesteuerten Bewegung.
Wir führen in der Neurologischen Klinik Sorpesee nahezu alle Therapien mit unseren Parkinson-Patienten in Form der Einzeltherapien durch, um den Patienten nicht nur das größtmögliche Maß an Unterstützung und Zuwendung entgegenzubringen, sondern auch um eine möglichst reizarme Umgebung zur Verfügung stellen zu können. Dies ist v.a. bei Patienten mit im Vordergrund stehenden kognitiven oder psychischen Symptomen ausschlaggebend für den Therapierfolg.
Weiterhin ist es uns wichtig, dass die Therapieinhalte nicht zu statisch sind und nicht zu rasch wechseln und häufig in adaptierter Form in den darauffolgenden Einheiten erneut durchgeführt werden und dass Wirkungsfluktuationen bei der Auswahl von Therapieinhalten berücksichtigt werden.
Ich gehe nun näher auf die beiden Symptombereiche ein, die nicht nur am häufigsten Inhalt unserer ergotherapeutischen Arbeit sind, sondern auch von den Parkinson-Patienten bzw. ihren Angehörigen als die am stärksten einschränkenden Beschwerden, bezogen auf die Verrichtung wichtiger Tätigkeiten aus den Bereichen Selbstversorgung, Produktivität und Freizeit, beschrieben werden.
Störungen der Feinmotorik und Handfunktion inkl. Schreiben
In der Regel entstehen bei Parkinson-Patienten Störungen im Bereich der Feinmotorik und Handfunktion durch die sog. Bradykinesie und Hypokinesie. Es handelt sich dabei um eine allgemeine Verlangsamung aller grob- und feinmotorischen Bewegungen („Bradykinesie“), die sich dann progredient zu einer deutlich eingeschränkten bzw. kompletten Aufhebung der Initiierung und des Bewegungsausmaßes einer bestimmten willkürlichen Bewegung („Hypokinesie“) entwickelt.
Eine Bradykinesie bzw. Hypokinesie kann jedoch auch dazu führen, dass eine willkürlich begonnene Bewegung nicht abgestoppt werden kann bzw. die Serialleistung einer willkürlichen Bewegung nicht aufrechterhalten werden kann.
Lediglich die Hände betrachtend, steht der Begriff der Feinmotorik für eine Anzahl von einzelnen Funktionen der Hände, die in ihrem Zusammenspiel die Qualität der Feinmotorik und Handgeschicklichkeit ausmachen und es ermöglichen, feine, koordinierte und zielgerichtete Handlungen mit unseren Händen auszuführen.
Die Feinmotorik und Handgeschicklichkeit beinhaltet:
– Greiffunktionen
– Hantierfunktionen
– Hand-Hand-Koordination
– Hand-Auge-Koordination
– Hand- und Fingerkraft
– Kraftdosierung
– Fingerbeweglichkeit
Viele Patienten neigen dazu, feinmotorische Handlungen mit der weniger betroffenen Hand auszuführen und somit ihre Defizite zu kompensieren. Sehr deutlich fallen Feinmotorikstörungen häufig beim Schreiben auf, da diese Tätigkeit nicht so einfach durch die andere Hand kompensiert werden kann. Der Patient beschreibt ein undeutliches und verändertes Schriftbild, eine veränderte Stifthaltung, Verkrampfungen der Hände beim Schreiben oder einen zu hohen oder zu niedrigen Druck auf das Schreibgerät.
Alltägliche Handlungen wie das Öffnen und Schließen von Knöpfen oder Reißverschlüssen, das Schreiben, das Binden von Schnürbändern, das Greifen kleiner Gegenstände, das Öffnen einer Flasche, das Brotschmieren, das Auswringen eines Putzlappens, die tägliche Hygiene oder auch das Zubereiten von Mahlzeiten, können dadurch zu teilweise, ohne Hilfe oder die Nutzung von Kompensationsmechanismen, nicht zu überwindenden Hindernissen werden.
Typisch für Parkinson-Patienten ist eine sog. Mikrographie, bei der sich nicht nur das Schriftbild deutlich verkleinert, sondern auch der Abstand zwischen den einzelnen Buchstaben geringer wird und der Patient kaum noch in der Lage ist den Stift in einer geraden Linie über das Blatt zu führen. Die typischen Merkmale einer Mikrographie werden v.a. durch die Bradykinesie hervorgerufen, die nicht nur die Schreibdynamik im Bereich des Ellenbogen- und Handgelenks, sondern v.a. auch im Bereich der Finger deutlich herabsetzen.
Voraussetzung für eine adäquate Feinmotorik und Handgeschicklichkeit sind eine ausreichende Grundspannung des Rumpfes, eine ungestörte Sensibilität im Bereich der Hände und eine gut ausgebildete Grobmotorik im Bereich des Schulter-, Ellenbogen- und Handgelenks. Die evtl. in diesen Körperfunktionen vorliegenden Defizite werden zunächst in Zusammenarbeit mit den Physiotherapeuten erarbeitet.
Beim Feinmotoriktraining geht es immer um ein gezieltes und sich wiederholendes Training der betroffenen feinmotorisch-koordinativen Funktionen, um das motorische System anzuregen und zu trainieren und somit ihre Repräsentation im Gehirn wieder zu aktualisieren.
Hier nun einige Behandlungsbeispiele, die im Rahmen eines Feinmotoriktrainings vorkommen können:
– Vorbereitende Maßnahmen zur Desensibilisierung oder Sensibilisierung bei gleichzeitigen Oberflächensensibilitätsstörungen
– fasziale und Weichteiltechniken zur Lockerung der Muskulatur
– Vorbereitende grobmotorische Übungen zur Verbesserung der Schulter-, Ellenbogen- und Handgelenkbeweglichkeit
– funktionelle Hand- und Fingerfunktionsübungen
– funktionelle, feinmotorisch-koordinative Übungen mit diversen Materialen (Tennis-/ Igelball, Therapieknete, Nikitin-Material, Tastino, Solitaire, Perziboard, Murmeln, Wäscheklammern…)
– funktionelle Übungen am Myro und Pablo (Tyromotion)
– Schreibtraining
Ein wichtiger Bestandteil des Feinmotoriktrainings bildet das Training der Aktivitäten des täglichen Lebens (ADL) inkl. Transfertraining und das Training im Umgang mit unterschiedlichen Hilfsmitteln. Obwohl die Patienten im Klinikalltag andere räumliche Umwelten vorfinden als im häuslichen Umfeld, nutzen wir die vorhandenen Ressourcen, um den Umgang mit verschiedenen Hilfsmitteln bei der Verrichtung von Tätigkeiten zur Selbstversorgung zu trainieren.
Wichtig ist nicht nur das Üben des funktionalen Einsatzes der angebotenen Hilfsmittels, sondern auch die richtige, physiologische Gestaltung der Umwelt, v.a. die Schaffung einer ausreichend großen Unterstützungsfläche. Als „störendes“ Symptom ist hier v.a. der sog. Rigor (erhöhter extrapyramidaler Tonus der Skelettmuskulatur, bei dem der Untersucher während des passiven Durchbewegens einen von der Dehnungsgeschwindigkeit unabhängigen Widerstand in der Muskulatur spürt) zu nennen, der eine Fazilitation durch den Therapeuten massiv erschweren kann. Um die geübten Tätigkeiten in den häuslichen Alltag nach dem stationären Alltag transferieren zu können, werden häufig Handlungs-/Umgangspläne/Regeln erstellt.
In vielen Fällen besteht zusätzlich noch die Möglichkeit Angehörigen-Gespräche zu führen, um evtl. weitere Problematiken im Alltag zu besprechen und ebenfalls mit in die Therapien einzubauen.
Kognitive Störungen
Bei einem Großteil der Betroffenen finden sich kognitive Einschränkungen im Verlauf der Parkinson-Erkrankung, die eine massive Beeinflussung der Lebensqualität und Selbstständigkeit im Alltag nach sich ziehen. Vergleichbar mit der Motorik, kommt es auch hier zu einer Verlangsamung jeglicher Gedächtnisprozesse („Bradyphrenie“), wobei v.a. exekutive Funktionen deutlich häufiger als mnestische Funktionen beeinträchtigt sind. Bei einigen Patienten kommt es auch zur Entwicklung einer sog. Parkinson-Demenz.
„ Als exekutive Funktionen werden metakognitive Prozesse bezeichnet, die zum Erreichen eines definierten Zieles die flexible Koordination mehrerer Subprozesse steuern bzw. ohne Vorliegen eines definierten Zieles bei der Zielerarbeitung beteiligt sind.“
(S2e-Leitlinie Diagnostik und Therapie von exekutiven Dysfunktionen bei neurologischen Erkrankungen)
Im Rahmen einer exekutiven Dysfunktion bei Parkinson-Patienten fallen neben Störungen des Arbeitsgedächtnisses, des Monitorings (Überwachung ablaufender Prozesse) und der kognitiven Flexibilität v.a. Defizite im Bereich des planerischen und problemlösenden Denkens auf.
Betroffene Patienten missachten häufig Aufgabenanweisungen in der Therapie, zeigen ein unstrukturiertes und wenig zielorientiertes Handeln, eine eingeschränkte Merkfähigkeit, eine geringe Konzentrations- und Aufmerksamkeitsspanne mit einer schnellen Ablenkbarkeit, eine geringe Antizipationsfähigkeit, Defizite im Bereich des räumlich-visuellen und räumlich-konstruktiven Denkens, Störungen bei der Durchführung von Dual-Task-Aufgaben und teilweise ist sogar eine Handlungs- bzw. Bewegungsplanungsstörung in Form einer ideatorischen bzw. ideomotorischen Apraxie zu beobachten.
Beim Hirnleistungstraining geht es immer um ein gezieltes und sich wiederholendes Training der betroffenen exekutiven oder Gedächtnis-Funktionen, um das kognitive System anzuregen und zu trainieren und somit ihre Repräsentation im Gehirn wieder zu aktualisieren.
– funktionelle Hirnleistungstrainingsaufgaben (Nikitin-Material, Color Cards, Turm von London, Memory, Brain Box, Hide and Seek, Rush Hour…)
– funktionelle Übungen am Myro: Training nach Verena Schweizer (Tyromotion)
– Sprichwörter ergänzen, Wortketten bilden, Gegenteile benennen
– Erstellen von Handlungsplänen bezüglich Alltagsaktivitäten, Nutzung von Hilfsmitteln
– Erstellen von Piktogrammen zur besseren Orientierung
Zusammenfassend wird, neben den beiden ausführlich beschriebenen Therapiezielen, auch noch häufig an folgenden Zielsetzungen innerhalb der ergotherapeutischen Einheiten im stationären oder ambulanten Rahmen gearbeitet:
Autorin: Melanie Kapune
– Ergotherapeutin in der Neurologischen Klinik Sorpesee
– staatlich examinierte Ergotherapeutin, zertifizierte Handtherapeutin der AFH, zertifizierte
LSVT-BIG-Therapeutin ®